„Wandel oder es kracht“: Die multiple Krise

Beitrag von Gregor Waltersdorfer.

5 Jahre nach der Lehman-Brothers Pleite sind sich die KommentatorInnen in den Medien einig, dass die größte ökonomische Krise der letzten 70 Jahre noch nicht überwunden ist. Es heißt im Rückblick klären sich die Verhältnisse. So wurde zu den Ursachen und den Schuldigen viel diskutiert. In der Analyse der Krise herrscht mehr oder weniger Konsens, dass ein Mix aus Deregulierung, Gier und marktwirtschaftlichem Versagen den Crash heraufbeschwor.

Weniger Gehör findet dabei die Ansicht, dass es sich bei der Krise auch um eine Überschuldungskrise handelt. Um den Druck des veranlagten Kapitals stand zu halten, wurden mehr und mehr Kredite vergeben und neue Märkte geöffnet. Als mit den fallenden Immobilienpreisen in den USA die ersten Finanzvehikel einen negativen Ausblick bekamen, flog schnell auf, dass es sich hier um mehr Schein als Sein handelte.

Daraufhin wurde über Nacht undemokratisch weltweit Geld locker gemacht, das vorher an allen Ecken fehlte. Der Sozialtransfer war geglückt. Mit günstigeren Konditionen ausgestattet verträgt nun das globale Finanzsystem noch mehr Schulden. Doch keiner weiß wie viel. Da helfen auch keine Stresstests. Unzählige Baustellen wie die Unterbindung von Schattenbanken, die Bankenregulierung für mehr Eigenkapital und einer geordneten Abwicklung im Insolvenzfall, das Trennbankensystem, die Zerschlagung von zu großen Banken, die Trockenlegung von Steueroasen und die Finanztransaktionssteuer sind in ihrer Vollendung längst überfällig. Sie machen das Finanzsystem zwar etwas stabiler, befreien aber nicht vom Wachstumszwang.

Die durch Bankenrettung und Konjunkturpaketen verursachte Staatsschuldenkrise treibt die Politik nur so vor sich her. Durch immer neue Versprechen wird Zeit und Vertrauen erkauft.  Wie die Staaten aus der verfahrenen Situation wieder herauskommen sollen, dazu scheiden sich die Geister. Die Positionen schwanken irgendwo zwischen (kaputt)sparen und (über)investieren.

Um den Status quo aufrecht zu erhalten hoffen alle insgeheim auf Wachstum, Wachstum, Wachstum. Wenn jeder ein Stück davon abbekommt, sind alle zufrieden: der Gros der Unternehmen macht Gewinne, Staaten können theoretisch Schulden abbauen und es gibt was zum Umverteilen. Nur bei stagnierendem / schrumpfendem Kuchen geht das nicht so leicht.

Durch die reine Fokussierung auf die Ökonomie wird aber auf die ökologische und soziale Dimension der multiplen Krise vergessen. Damit sind die Erschöpfung der Ressourcen (Wasser, Boden, Land, Phosphor, und andere wertvolle Materialien), der Klimawandel und die wachsende soziale Kluft gemeint. Durch das Wachstum leidet vor allem die Ökologie, solange die Energiewende, die absolute Entkopplung des Ressourcenverbrauchs und die Schließung der Stoffkreisläufe nicht vollzogen sind. Wachstum soll nicht kategorisch abgelehnt werden, jedoch soll es auch kein Drama (Krise) sein, wenn es einmal keines gibt. Dazu muss unser System so ausgerichtet sein, dass es damit umgehen kann. Es zeichnet sich in der wissenschaftlichen Diskussion schon ab: neue Modelle sind reif und es auch wert getestet zu werden. Und es stellt sich die Frage, in welchen Bereichen wollen wir wachsen und wohin?

Dennis Meadows, visionärer Co-Autor des Standardwerks der Nachhaltigkeit „Limits to Growth“ predigt mittlerweile das Konzept der Resilienz. Dieses lässt sich am besten mit dem Bild eines Autos veranschaulichen, das auf eine Mauer zurast. Während der Wachstums-Ideologe am Fahrersitz noch die Mauer ignoriert, versucht der nachhaltige denkende Beifahrer das Steuer herumzureißen. Der Resilienz-Passagier auf der Rückbank schnallt sich indessen an, um sich widerstandsfähiger zu machen und die Folgen des Aufpralls zu minimieren.

So vielfältig die Krise unserer Zeit ist, so vielfältig kann es auch krachen. Während die Mauer vor 5 Jahren die Häuserpreise waren, kann es das nächste Mal vielleicht der Umstand sein, dass wir nicht mehr genügend Zeit finden, in der wir das Geld ausgeben müssen, oder das Schiefergas, ein anderer Immobilienmarkt, etc. stellt sich als Blase heraus.

So pessimistisch wie Meadows ist der Wandel jedoch nicht gestimmt. Viele Initiativen zeigen schon einen anderen gangbaren Weg. Sie sind Rettungsboote im Strudel der beschleunigten Krise. Nun muss die Gesetzgebung nachziehen.

Dass diese zurzeit auch in einer Krise steckt, bestätigt nur das Bild der multiplen Krise: Die Wahlbeteiligung und das Interesse an der Politik sind auf historischen Tiefstständen. Es verwundert nicht, geht doch der Wille nicht mehr vom Volke aus, sondern von übermächtigen Finanzlobbies, Vermögenden und Großunternehmen.

Der Wandel will die politische Lethargie überwinden und neue Wege beschreiten. Dazu wurde die Partei ins Leben gerufen und setzt somit ein Zeichen, dass jeder auch politisch etwas bewegen kann, ohne Kaderschmieden durchlaufen zu müssen.

Neben der gerechten Verteilung von Chancen und Ressourcen, die das Spekulationsvermögen und somit den Druck auf die Realwirtschaft reduziert und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt, konzentriert sich der Wandel auf eine nachhaltige Wirtschaft. Dazu sind dieser sowohl auf Makro- als auch auf Mikroebene neue Ziele und Erfolgskriterien zu geben, die demokratisch festgelegt werden sollen. Anstatt sich der globalen Standortkonkurrenz hinzugeben wird eine internationale Kooperation gesucht.

Gemeinsam ist dem die Vision eines guten Lebens für alle.

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