Sozial- und Umweltdumping – der Schlüssel zur Lösung liegt in Standards für den Zugang zu den Verbrauchermärkten

Gastbeitrag von Werner Ginzinger.

Die Liberalisierung des Welthandels hat zu einer erheblichen Auslagerung der Industrieproduktion in sogenannte Billiglohnländern geführt, wo zum Teil unter sklavenähnlichen Bedingungen und ohne Rücksicht auf die Umwelt, Produkte für den europäischen und nordamerikanischen Markt hergestellt werden, die zudem oft bewusst so gestaltet sind, dass sie möglichst bald zu unreparierbarem Müll werden.

Außerdem ermöglichen die derzeitigen Rahmenbedingungen einer kleinen Gruppe von Globalisierungsgewinnern, durch Drohung mit einer Produktionsverlagerung mühsam errungene Sozialstandards schrittweise zu drücken. In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts konnte oft sogar ein Hilfsarbeiter eine vierköpfige Familie als Alleinverdiener passable versorgen. Für Frauen bedeutete diese Einkommenskonstellation allerdings oft eine extreme Abhängigkeit. Heutzutage, wo der Anteil an erwerbstätigen Frauen sehr viel höher ist, die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau liegt, und die Produktivität durch den technischen Fortschritt zugenommen hat, wird aber nicht über Arbeitszeitverkürzungen sondern im Gegenteil über Flexibilisierungen bis zum 12-Stundenarbeitstag diskutiert.

Das Standortargument wird im übrigen auch gegen notwendige höhere Umweltauflagen und Klimaschutzmaßnamen vorgebracht. Man könne solche Probleme nur weltweit in internationalen Verträgen lösen, wird behauptet. Gleichzeitig wird hinter verschlossenen Türen über Abkommen verhandelt, die Menschenrechte und Umwelt außer Acht lassen. Nach Abschluss wird natürlich den Verhandlungspartnern die Schuld am Ergebnis zugeschoben.

Nun ist es tatsächlich so, dass wir andere Teile der Welt nicht einfach zu den vielbeschworenen „europäischen Werten“ zwingen können. Ebenso wenig darf uns anderseits der Rest der Welt die Zulassung von unethisch hergestellten Produkten  vorschreiben, die zudem hinsichtlich der Verwendbarkeitsdauer, Reparaturfreundlichkeit und Rezyklierbarkeit technisch gut realisierbaren Nachhaltigkeitskriterien nicht genügen.

Daher sollten bestehende Freihandelsabkommen etwa jene im Rahmen der WTO gekündigt und langsam einheitliche sehr hohe, zum Teil weit über dem Besten, was heute in vereinzelten Staaten gegeben ist, liegende Sozial- und Umweltmindeststandards für alle im europäischen Binnenmarkt gehandelten Güter und Dienstleistungen eingeführt werden, und zwar unabhängig davon, ob diese innerhalb oder außerhalb der Union produziert bzw. erbracht werden. (Es geht aber nicht um einen Protektionismus alten Stils mit einer selektiven Ausbeutung im Rohstoff- und Agrarsektor wie vor der neoliberalen Phase, denn die hohen Standards sollen wirklich alles einschließen.) Eine volkswirtschaftlich ausreichende Kontrolle könnte sich trotzdem auf Stichproben und ein Whistleblower-System zur Meldung von schwarzen Schafen unter den Mitbewerbern beschränken.

Österreich wäre jedoch für eine alleinige Umsetzung derartiger Maßnahmen in vielerlei Hinsicht schlicht zu klein. Freiwillige Selbstverpflichtungen und Fairtradekampagnen bringen der Wirtschaft keinen hinreichend verlässlichen Rahmen, der für mutige Schritte notwendig ist. Sie werden überdies durch „Greenwashing“ und anderen CSR-PR-Maßnahmen unterlaufen. Die Unzahl der Produktkennzeichendefinitionen ist bereits jetzt für kritische Bürger kaum zu mehr zu überblicken, der Durchschittskonsument tappt sowieso völlig im Dunkeln.

Europa könnte zu einer Modellregion für eine nachhaltige Postwachstumsgesellschaft werden, und zwar unabhängig davon, ob Nordamerika oder die Schwellenländer  innerhalb gewiss notwendiger Übergangsfristen die Standards übernehmen oder nicht. Die Alternative sind Verteilungskriege und Elend durch den Zusammenbruch für uns wichtiger ökologischer Systeme. Darum lohnt sich der Einsatz dafür, in der Zivilgesellschaft ein starkes Gegengewicht zum plutokratisch orientierten Lobbyismus aufzubauen.

 

 

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