Viele Menschen erkennen Rassismus erst, wenn er sich explizit und unmissverständlich in Worten oder Taten äußert. Wollen wir uns als eine anti-rassistische Gesellschaft verstehen, dann darf unser Kampf aber nicht bei der augenscheinlichsten, finalen Ausprägung von Rassismus beginnen und enden. Einem rassistischen Wort geht ein System voraus, das die Ungleichheit zwischen Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Hautfarbe in unser Bewusstsein und Unterbewusstsein brennt. Das System ist allgegenwärtig. Rassismus ist allgegenwärtig. Er ist in unseren Haushalten und in unseren Institutionen. Er ist psychologisch und persönlich. Er ist politisch und strukturell.
Und solange wir das rassistische System nicht als solches erkennen wollen, sind wir auch nicht in der Lage, es zu brechen. Wir werden die Schuld weiterhin im Individuum suchen, in einer kriminellen, gewaltbereiten Prädisposition. Oder im Unwillen, sich an die „österreichische Kultur“ anzupassen und die „westlichen, aufgeklärten Werte“ zu übernehmen. Wir werden weiterhin hohe Maßstäbe setzen, denen wir selbst nicht genügen, aber unsere braunen und schwarzen Geschwister müssen es, sonst werden sie ausgegrenzt, ausgewiesen, eingesperrt, abgeschoben, misshandelt, umgebracht. Und dann werden wir ihnen nicht glauben, wenn sie uns davon erzählen, von den Hürden, vor denen sie stehen und von der Gewalt, die sie erfahren.
Anti-Rassismus bedeutet nicht nur die innere Überzeugung, dass alle Menschen, egal welcher Hautfarbe und Herkunft, ein gleiches Recht auf ein erfülltes Leben haben. Anti-Rassismus bedeutet auch das Wissen und Verständnis, dass das heute noch nicht so ist – und warum. Und dass es die Verantwortung der gesamten Gesellschaft ist, dieses Recht auf ein erfülltes Leben sicherzustellen.