Wir sind nicht neidig

Kommentar von Fayad Mulla

Ohne gemeinsame politische Aktionen werde die Kluft zwischen Arm und Reich in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch weiter aufgehen. Daher sei es umso wichtiger, dass die Spitzenverdiener ihren fairen Anteil an Steuern zahlten. Um dies zu erreichen sollten die Staaten verschiedene Formen der Vermögensbesteuerung prüfen, etwa Erbschaftssteuern. Außerdem sollte eine Harmonisierung der Besteuerung von Kapital und Arbeit geprüft werden. Das ist kein Auszug aus dem Programm einer linkslinken Partei. Das sind Aussagen und Empfehlungen der OECD vom 1. Mai 2014. In ähnlicher Form soeben von der EU-Kommission an Österreich gerichtet.

Trotzdem beharren diverse Parteien, allen voran die ÖVP, weiterhin darauf, das diese Maßnahmen der Untergang des Abendlandes wären. Auf langwirrige Argumentation lassen sie sich gar nicht erst ein, sondern unterstellen Gegnern sofort die Todsünde Neid. Dass dies nur Populismus mittels Angstmacherei ist, wird immer mehr Menschen klar.

Wir wollen ja keine höheren Steuern auf Vermögen, weil wir so neidig sind oder weil wir kein größeres Anliegen haben, als die Wirtschaft zu zerstören. So hirnrissig Zweiteres Argument auch ist, so gerne verwenden es die Liberalen und Konservativen um den Linken die Wirtschaftskompetenz abzusprechen. Abgesehen davon, dass wir natürlich auch eine funktionierende Wirtschaft wollen und es keine Wettbewerbe gibt, bei denen die Wirtschaftskompetenz gemessen wird, ist es schlicht keine Kunst zu sagen, “der Markt wird´s schon alles regeln”.

In der Tat sind wir überhaupt nicht neidig, denn niemand zweifelt daran, dass außerordentliche Leistung auch außerordentlich entlohnt werden soll. Doch der Großteil des Vermögens der reichsten 10 Prozent, und nur um die geht es hier, wurde nicht von ihren BesitzerInnen verdient, sondern ererbt oder durch Lohnzurückhaltung angeeignet und dann ohne weitere Leistung, durch Zinsen vermehrt.

Und die ganzen Selfmade-MillionnärInnen? Nehmen wir denen nicht den Anreiz? Wer glaubt, dass ein Bill Gates Windows nicht erfunden hätte und Walmart-Kassier geworden wäre, hätte er nur eine Mrd. Dollar Gewinn damit gemacht, der hat keine Ahnung davon, was Menschen wirklich antreibt. Dass das wirtschaftliche Umfeld selber zerstört wird, darf wohl auch getrost als Panikmache abgetan werden, sonst würde der IWF Vermögenssteuern nicht als wachstumsfreundlich bezeichnen.

Also warum Vermögenssteuern?

In Österreich wie in der restlichen Welt hat die alleinige Orientierung der Politik, ja der ganzen Gesellschaft, auf Wirtschaftswachstum zu einer Identitätskrise geführt. Die Menschen vertrauen der Demokratie, die mit dem kapitalistischen System gleich gesetzt wird, nicht mehr, weil ihr Gerechtigkeitsempfinden tagtäglich erschüttert wird und damit der gesellschaftliche Zusammenhalt immer weiter bröckelt. Grund für diese Entwicklung ist das permanente Ignorieren der Verteilungsfrage, zu der natürlich auch die Verteilung von Vermögen gehört.

Zentrales Problem ist die falsche Primärverteilung, also die höhere Besteuerung von Arbeit im Vergleich zu Kapitalerträgen, obwohl beide natürlich nichts Anderes als Einkünfte sind. Das hat dazu geführt, dass mittlerweile fast drei Viertel des Gesamtvermögens in Österreich von nur 10 Prozent der Bevölkerung kontrolliert wird, während die ärmsten 50 Prozent nur über 2 Prozent des Vermögens verfügen. Die derzeitige Situation beruht auf Fehlern unserer PolitikerInnen, die wir mittels Vermögenssteuern ausgleichen müssen. Langfristiges Ziel ist natürlich ein faires Steuersystem, damit der Staat im Nachhinein nicht immer umverteilen muss.

Abgesehen davon haben wir viel zu tun. Wir brauchen eine Bildungsreform, die Energiewende, einen Demokratiekonvent, Stärkung der regionalen Wirtschaft und regionale Wertschöpfung, einen fairen Mindestlohn, Investitionen in die Pflege und noch vieles mehr. Und natürlich müssen wir auch unsere Schulden abbauen. All das kostet Geld. Die arbeitende Bevölkerung und kleine und mittlere Unternehmen haben die Schmerzgrenze  schon lange erreicht. Jetzt müssen die ihren Beitrag leisten, die es sich wirklich leisten können.

Zeit lassen können wir uns nicht mehr. Wenn wir das Problem der Vermögensverteilung nicht so schnell wie möglich lösen, brauchen wir an Themen wie Chancengleichheit,  Verteilung von Umweltressourcen, Verteilung von Macht oder Informationen gar nicht denken und uns auch nicht wundern, wenn die Menschen irgendwann bereit sind in ihrer Sehnsucht nach Veränderung die Demokratie zu opfern.

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