Diese „Direkt-Demokraten“ betreiben hier aber bewusst oder unbewusst ein gefährliches Spiel mit der Demokratie. Erstens nehmen sie damit PolitikerInnen komplett aus der Verantwortung. Denn dann muss niemand mehr für seine Fehler und Entscheidungen gerade stehen, da es ja immer „8,4 Mio. Verantwortliche“ gibt. Und zweitens ist Politik kein Limonadenstand den jeder/jede betreiben kann, der/die dazu zu Lust. Es ist ein hartes anspruchsvolles Geschäft, das viel Zeit und Wissen benötigt. Eine Entscheidung über zweisprachige Ortstafeln ist sicher nicht mit jenen rund um den Europäischen Rettungsschirm, kurz ESM, zu vergleichen. Drittens könnte es zu Abstimmungen über Minderheitenrechte mit fatalen Ergebnissen und Auswirkungen kommen. Viertens, und hier sehe ich die größte Gefahr für die Politik bzw. Demokratie, ist der Permanentwahlkampf in den uns dieses System bringen wird.
Heutzutage arbeiten Parteien ohnehin nur 4 von 5 Jahren einer Legislaturperiode, da das letzte Jahr ausschließlich für den Wahlkampf reserviert ist. Jetzt stellen wir uns einmal vor, es gibt alle drei Monate eine Volksabstimmung zu Themen wie EU Austritt, Wiedereinführung des Schilling, Wehrpflicht, Senkung der Mindestsicherung oder Verbot von Kopftüchern. Wie würden unseren Zeitungen aussehen? Wie unerträglich wäre die tägliche Bombardierung mit Wahlpropaganda? Wie viele Meter könnte man durch die Straßen gehen ohne dass einem der Herr Strache mit einem Davidstern, Halbmond und einem Hetzspruch von einem Plakat entgegenlächelt.
Wollen wir wirklich einfach nur nach direkter Demokratie schreien und in Kauf nehmen, was dann dabei rauskommen kann. Nur weil wir zu faul sind darüber nachzudenken was in unserer Demokratie wirklich falsch läuft?
Denn das Hauptproblem der Politik ist nicht unsere derzeitige Form der Demokratie sondern die agierernden Protagonisten und Protagonistinnen. PolitikerInnnen, die sich bei jeder Abstimmung dem Klubzwang unterordnen und damit oft nicht nach ihrem besten Wissen und Gewissen abstimmen, sind dafür verantwortlich, dass unsere Demokratie tagaus tagein Schaden nimmt. Stellen wir uns mal ein Parlament mit 183 Personen vor, die ausreichend gut informiert über Themen diskutieren, sich organisieren wenn sie gemeinsame Standpunkte haben und sich bei Abstimmungen s von ihrer Überzeugung und eigenen Meinung leiten lassen und dabei auch das Wohl ihrer WählerInnen immer eine Rolle spielt.
Mit solchen VolksvertreterInnen wäre unsere Demokratie gar nicht mal so übel. Mit solchen PolitikerInnen könnten wir auch eine neue Form der Demokratie schaffen. Eine Demokratie in der aktive Teilhabe aller Menschen gefördert wird und in der die Bevölkerung an die Urne geht, wenn sich die Politik nicht einigen kann, oder es um ganz grundsätzliche Entscheidungen geht, die eine Verfassungsänderung bedürfen.
Die Unzufriedenheit mit unseren PolitikerInnen ist mehr als gerechtfertigt, aber die mit unserer Demokratie etwas voreilig.