Im Kapitalismus kannst du nicht alles werden

„Aber ich selbst, und die meisten Leute die ich kenne, können doch ihrer Leidenschaft nachgehen, diese Aussage stimmt nicht und ist populistisch“ – der programmierte Reflex, den sicher viele verspüren werden, die diese Zeilen lesen. Doch dieser Gedanke ist unvollständig, lässt er doch die Tatsache unbeachtet, dass diese Menschen ihre Leidenschaft nur neben einer Erwerbstätigkeit, also in ihrer begrenzten Freizeit ausüben können. Sonst führt es viele zum Weg der Kommerzialisierung der eigenen Passion, auf dem sich die bisher ungezwungene Schaffenskraft den starren Regeln der Profitabilität des Marktes unterordnen muss und sowohl der Mensch, als auch die Ergebnisse der kreativen Arbeit immer weiter vom ursprünglichen Ausdruck des Selbst entfremden. Es steht nicht mehr die Passion zum Selbstzweck im Zentrum der kreativen Arbeit, sondern der Nutzwert für andere.

Wird keiner dieser Wege eingeschlagen und die Wahl fällt auf die Bewahrung der Integrität, dann kommt die Wahl der eigenen Leidenschaft einem Leben in Armut gleich. Das kapitalistische System fördert somit unsere Kreativität und Leidenschaft nur in Aussicht einer Vermarktbarkeit, bestraft uns in Abwesenheit dieser Aussicht oder verbannt unsere Leidenschaft in ein Zeitfenster, in dem sie mit sozialen Verpflichtungen, Hausarbeit und dem Rasten nach der Lohnarbeit konkurrieren muss.

Eine Arbeitszeitverkürzung ist das absolute Minimum, um mehr Platz für unser Menschsein zu schaffen. Ein erster Schritt am langen Weg zur Selbstbestimmung.

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