Push-Faktoren

Wieder geht ein Sommer extremer Hitze zu Ende. Nicht nur in Österreich. In weiten Teilen Europas und den USA haben die Hitze und anschließende Unwetter verheerende Schäden in der Umwelt hinterlassen. Wieder ist ein Jahr vergangen mit einem Wahnsinnigen und wahrscheinlich auch Kriminellen als Präsident der USA. Wieder ein Jahr, in dem unzählige Jobs der Automatisierung und Digitalisierung zum Opfer gefallen sind und die neu entstehenden Arbeiten oft nur schlecht bezahlte oder Bullshitjobs sind. Und trotzdem wieder ein Jahr, in dem unsere europäischen Politiker und Medien rein gar nichts zustande gebracht haben, außer über eine einzige Sache zu streiten: Flüchtlinge.

Aber obwohl Politiker und Boulevardmedien seit Jahren kein anderes Thema als Flüchtlinge kennen, können sie auch hier keine Lösungen anbieten, weil die Debatte auf einem derart niedrigen Niveau geführt wird.

Ganz zentral ist hier die ewige Leier von den Pull-Faktoren. Also jenen paradiesischen Lockrufen aus Europa, denen die Menschen in Syrien, Afghanistan, Iran, Irak, Eritrea oder Jemen einfach nicht widerstehen können. Gekonnt werden die Push-Faktoren ignoriert, denn da wird es deutlich komplizierter und am Ende kommt vielleicht heraus, dass die Schuld an den Flüchtlingsströmen wohl eher beim Westen zu suchen ist. Schauen wir nach Afghanistan, ein Land, das seit 40 Jahren von den Großmächten durchgeprügelt wird und von ihnen in Schutt und Asche gelegt wurde. Ein Land, in dem die USA die Taliban mit Geld und Waffen groß gemacht hat, damit diese gegen die Russen kämpfen. Oder der Iran, dessen demokratisch gewählter Präsident Mossadegh 1953 von CIA und MI5 gestürzt und durch den Diktator Pahlavi, auch Schah genannt, ersetzt wurde. Sein Verbrechen: Er hat es gewagt die iranischen Ölinteressen über jene des Ölkonzerns BP zu stellen. Oder der letzte Irakkrieg und seine durch die USA erfundenen Massenvernichtungswaffen, der in weiterer Folge den Irak zu einem failed state gemacht hat und damit die Grundlage für den IS geschaffen hat. Die Liste lässt sich noch ewig fortsetzen.

Jeder, der sein und das Leben seiner Familie liebt, würde versuchen seine Liebsten aus Afghanistan oder Syrien in Sicherheit zu bringen. Und genauso ist es mit den unzähligen anderen Fluchtgründen. Der Klimawandel zum Beispiel, der Bauern in Afrika die Lebensgrundlage entzieht, weil es in manchen Regionen schon seit Jahren kaum noch regnet. Die Drogenbanden in Zentral- und Südamerika, die in ihrem Rausch nach Macht und Geld jedes Jahr zigtausende Menschen abschlachten. Die transnationalen Konzerne, die mit Hilfe korrupter Machthaber (oft jenen, die vorher durch den Westen installiert wurden) die kostbaren Bodenschätze in Entwicklungsländern zu Spottpreisen ausbeuten und oft den Menschen nicht mal mehr das Wasser zum Überleben lassen. Die Banken und Steuerkanzleien, die den Reichen und Mächtigen in Entwicklungsländern helfen so unglaubliche Summen in Steuersümpfen zu verstecken, dass diese Beträge die globale Entwicklungshilfe übertreffen.

Muss man dann wirklich über Pull-Faktoren reden, wenn solche Dinge auf der Welt passieren?

Ist der Ruf der Mindestsicherung in Österreich wirklich so sirenenhaft, oder sind der IS und die Perspektivenlosigkeit in der Heimat doch der wahre Fluchtgrund?

Flieht man aus dem Iran, weil die dortigen geistlichen Führer keine Freiheiten zulassen, oder weil der Arbeit in der Nachtschicht am Kebabstand am Bahnhof Zoo niemand widerstehen kann?

Flieht man aus dem Tschad, weil auf seinem Grund und Boden nichts mehr wächst, oder weil ein Leben als schwarz bezahlte Reinigungskraft in Europa der Traum eines jeden Menschen ist?

Reden wir über die wirklichen Fluchtgründe und wir werden schnell feststellen, dass die meisten Menschen im reichen Norden wie im armen Süden die gleichen Interessen haben. Machen wir es uns nicht leicht, und schlagen auf die Schwachen hin, wenn wir doch eigentlich wissen, dass sie nicht die Schuldigen sind. Seien wir mutig und reden über die Machenschaften der Militärs, der Politiker, der Geheimdienste und Konzerne. Dort sind die Flüchtlingsmacher zu finden, denn sie bringen Krieg, Hunger, Misswirtschaft, Unterdrückung in unsere Welt und am Ende auch die vor uns liegende Klimakrise.

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