Im Burgenland gibt es jetzt eine rot-blaue Koalition; aber auch in anderen Bundesländern denkt die SPÖ mittlerweile offen über eine gemeinsame Arbeit mit der FPÖ nach. Die Wut im linken Parteiflügel ist groß. Die sozialdemokratische Empörtenbewegung, traditionell angeführt vom Jugend-Apparat, hält diese Koalition sogar für untragbar. Untragbar, wie es die nicht notwendige Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten unter einem roten Bundeskanzler ist. Untragbar wie die Zustimmung der SPÖ zu TTIP im Europäischen Parlament. Untragbar, wie es die Vorstellung einer Steuerreform ohne Vermögens- und Erbschaftssteuern einmal war. Soviel Untragbarkeit macht es schwer, den Überblick zu bewahren. Hätten denn nicht schon die absurden Bankenrettungen, der ESM und das Mittragen der europaweiten Austeritätspolitik für die SPÖ untragbar sein müssen? Oder die Idee stagnierender bzw. fallender Löhne bei wachsender Produktivität?

Wenn das Untragbare zur Normalität verkommt

Auch wenn all die Empörten inhaltlich Recht haben: von außen betrachtet ist es wenig überraschend. Im Grunde ist die rotblaue Koalition im Burgenland nicht mehr als ein weiteres Symptom für den Verfall dieses ehemals großen sozialdemokratischen Imperiums – so etwas geht nie still zu Grunde. Die einstige Glaubwürdigkeit ist jedenfalls verloren. Im Kampf gegen den Neoliberalismus ist die SPÖ schon lange so hilfreich wie eine rostige Heugabel.

Was bleibt ist der Begriff „untragbar“. Die Folgen müssen wir nämlich wie immer alle tragen. Ohne starke, organisierte und glaubwürdige Stimme sind wir nämlich allesamt der Willkür der herrschenden Eliten ausgeliefert. Die WählerInnen haben das bereits verstanden und wenden sich ab. Aber nicht nur von der SPÖ, sondern von der Politik allgemein, oft leider mit dem Zwischenschritt eines Kreuzes für die FPÖ. Wer dauernd von Untragbarkeit spricht, sie aber gleichzeitig als Normalität anerkennt und nie Konsequenzen zieht, ist auch dafür verantwortlich, wenn Menschen den letzten Glauben an die Politik verlieren.

Was also tun?

Wer glaubt, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, das Ruder in der SPÖ in eine sinnvolle Richtung zu reißen, sei sich bewusst, dass viele dies schon sehr lange probieren: das Resultat sehen wir täglich. An alle, die es trotzdem probieren wollen, nur eine Bitte: Findet einen Platz in der Partei, wo ihr das machen könnt, ohne ganz Österreich in eure Diskussion zu ziehen. Wir hier draußen, müssen die Politik der SPÖ so oder so noch eine Zeit lang ausbaden; da ist es wirklich verzichtbar, diesem traurigen Spiel auch noch in Echtzeit beiwohnen zu müssen, nur weil ihre intern keine funktionierende Diskussion auf die Reihe kriegt.

Fakt ist aber auch: wer Teil dieser Partei ist, trägt automatisch auch ihre Politik mit. Wer also die Entscheidung der SPÖ mit den Rechten zu koalieren wirklich für untragbar hält, muss daraus Konsequenzen ziehen und die eigene Mitarbeit, und sei es nur die Mitgliedschaft, ehrlicherweise beenden. Das ist mit Sicherheit keine einfache, aber eine notwendige Entscheidung – auch wenn sie Wunden hinterlässt. Dieser Abschied ist noch lange nicht das Ende. Gerade weil die SPÖ so schnell verfällt, braucht es jetzt jede einzelne Stimme für das Projekt eines friedlichen, fortschrittlichen und menschlichen Europas.

Deshalb: mit aller Wut im Bauch, tief durchatmen und an einer progressiven politischen Allianz arbeiten, die das riesige Loch, das die SPÖ noch im Abgang in unsere politische Landschaft reißt, mit neuer Energie füllen kann.

Der Wandel will, wie wir schon in der Vergangenheit gezeigt haben, Teil dieser Allianz sein, die spätestens 2018 erfolgreich ins institutionelle Zentrum unserer Demokratie einzieht und dort mit neuer Kraft für unsere gemeinsamen Werte eintritt. Die Arbeit daran hat bereits begonnen. Mit jeder weiteren motivierten und erfahrenen Hand wächst die Chance, uns Menschen wieder eine starke Stimme zu geben.

Den ersten Schritt muss jede und jeder selbst machen. Alle weiteren machen wir dann gemeinsam.

 

Foto: Xabier Otegi

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