Umarmt die Ukraine, nicht Putin!

david_teamKommentar Von David Zuser, wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM)

Bis vor kurzem war die Ukraine für viele MitteleuropäerInnen ein weit entferntes Land. Als sich der Protest in Lviv und Kiev im November von Studenten ausgehend erhoben, war dies dem Westen nur eine bessere Fußnote wert. Und dies gar wohl nur, weil einer der Oppositionsführer Vitali Klitschko im deutschsprachigen Raum, aufgrund seiner Boxkarriere über einen großen Bekanntheitsgrad verfügt. Dass er schon seit 2006 in der ukrainischen Politik aktiv ist, sowie die Tatsache, dass er ethnischer Russe ist, ist wohl nachwievor weitgehend unbekannt. Als sich nach den ersten Versuchen der Janukowitsch-Regierung die Proteste gewaltsam niederzuschlagen, der Protest auf einer breiter Basis ausweitete wurde die Situation weiterhin verkannt und unterschätzt und bis zu der blutigen Eskalation 18. und 19. 2. 2014 gab es kaum eine eindeutige Aussage gegenüber der Lage in dem EU-Nachbarland. Der Umsturz und das Ende der Ära Janukowitsch, die Bildung der Übergangsregierung, sowie die Enthaftung der in Europa viel zu wenig kritisch gesehenen Iulia Tymoschenko wurde von der EU und Europa einhellig begrüßt.

Neuerdings aber, besser gesagt seit Beginn der „Krim-Krise“ spricht man von Neutralitätspolitik gegenüber der Ukraine. Kritisiert das die Post-Janukowitsch Regierung auch aus Mitgliedern der rechten Partei „Svoboda“ besteht und man deshalb diese nicht akzeptieren hätte dürfen, weil eine nationalistische Tendenz überwiegt. Was sich bei näherer Betrachtung der Zusammensetzung der Euromaidan-Bewegung schlichtweg als übertrieben erweist. Hierzu seien einem die Statistiken des Bundeszentrum für Politische Bildung empfohlen: http://www.bpb.de/internationales/europa/ukraine/179754/soziodemographie-und-meinungsumfragen-die-protestierenden-auf-dem-maidan Die belegen, dass es sich hier um einen breiten Bürgerprotest quer durch alle Schichten, Milieus und Gesinnungen handelt, der seinen Ursprung keineswegs bei einer politischen Bewegung hatte. „Rechter Sektor“, nationalistische Ultragruppen (Karpaty Lviv, Dinamo Kiev) hin oder her.

Nun eine Postrevolutionäre Regierung, die sich bei aller Heterogenität und internen Herausforderungen, wie das fehlen einer integren politischen Elite, dennoch um einen Dialog mit allen Seiten bemüht und weithin Kontakt sucht trotz Fehlern wie das Verabschieden eines Minderheitengesetzes (inzwischen wieder zurück genommen) und der zu offensichtlichen Anbiederung an die NATO, auf die gleiche „Ebene“ zu stellen wie das Vorgehen Russlands auf dem völkerrechtlich souveränen Gebiet der Ukraine ist feig und schlichtweg unsolidarisch einem europäischen Land gegenüber. Und zeigt leider dass wirtschaftliche Gründe über eine europäische Solidarität gestellt wird und eine eklatante Unkenntnis über einen großen Teil Europas.

Denn gänzlich wundern darf man sich nicht, dass sich Russland in dieser Form einmischt und die (seit 1992 Autonome Republik) Krim sich nun abzuspalten versucht. Die historische Dimension sowie die Geschichte der Ukraine wird da gänzlich außer acht gelassen. Wir sprechen hier über eine Region Europas die seit jahrhunderten hinundher gerissen ist zwischen „Ost und West“ und vom namhaften, am Institut für die Wissenschaften vom Menschen IWM Wien ansässigen, Timothy Snyder als „Bloodlands“ bezeichnet werden. Einem Staat der erst gut 20 Jahre eigenständig existiert und sich immer noch auf einer Suche nach nationaler Identität befindet. Ein Prozess, der in Mitteleuropa schon Mitte des 19. Jahrhunderts von statten ging. Aber selbst wenn man diese Dimension außer Acht lässt, die Versäumnisse seitens der EU in den vergangenen 10 Jahren kann man nicht negieren. Nach der „Orangenen Revolution“ wurde verabsäumt mit einer Annäherung der Ukraine an die EU auch eine Annäherung an Russland zu suchen. Das Potential der Ukraine als Brücke, gar als Bindeglied zwischen der EU und Russland wurde schlichtweg verkannt. Dies ist nun nur noch schwer aufzuholen. Nachdem Russland mit Militärmacht die Krim endgültig unter russische Kontrolle gebracht hat und die Separation mit einem Referendum vorantreibt, gleichzeitig aber die OSZE darin hindert die Lage auf der Krim vor Ort zu untersuchen, muss Europa und die EU mit eindeutigen diplomatischen Aktionen klar machen, dass so ein Vorgehen gegen ein europäisches Land nicht geduldet werden kann. oder wie der junge ukrainische Politikwissenschaftler Volodymyr Yermolenko schreibt: „Umarmt die Ukraine – und nicht Putin! Bei dieser Umarmung können Sie zumindest sicher sein, dass Sie genauso warme Umarmungen als Antwort bekommen.“

 

 

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